Hannover Marktkirche

Triage

Triage: Ethische Überlegungen und Perspektiven auf gemeinsame Verantwortung


Hintergrund: Warum wird über Triage nachgedacht?

Aktuell wird alles dafür getan, dass es nicht zur Triage Situation kommt. Dennoch bereiten sich alle, die entsprechend Verantwortung tragen, auf die evtl. eintretende Situation vor, dass eine Triage notwendig wird, damit die Entscheidungen strukturiert und bestmöglich getroffen werden können. Die Triage Situation bedeutet, dass die Versorgung nichtmehr für alle, die sie benötigen, geleistet werden kann und dadurch mehr Menschen sterben als bei niedrigen Fallzahlen. Es ist in dieser Situation nichtmehr genug da. An einer solchen Situation hat niemand Schuld, wie uns die Virologen beständig sagen. Auch in einer solchen Situation können die Ressourcen besser und schlechter verteilt werden, d.h. hier sind verantwortlich Entscheidungen zu fällen. Wird diese Verantwortung nicht übernommen oder bei schlechten Kriterien, sterben noch mehr Menschen. Aus ethischer Sicht sind in einer solchen Situation drei Aspekte wesentlich: 1) Die Entscheidungen beruhen auf klaren Kriterien sowohl ethisch als auch hinsichtlich der medizinischen Evidenz, 2) die Entscheidungen sind strukturell gut verankert, so dass Zuweisungen auf Strukturebene erfolgen und nicht Patienten gegeneinander stellen und 3) die Personen, die für die Entscheidung und Umsetzung dieser Entscheidungen verantwortlich sind werden darin unterstützt.

AKTUELL: Informationen und Hintergründe zu den aktuellen Entwicklungen in der Diskussion um eine rechtliche Regelung der Triage finden Sie in unserem aktuellen Newsletter




Bereits bestehende Empfehlungen

Es gibt bereits einige Stellungnahmen von Fachgesellschaften und auch von ethischer Seite. Die Akademie für Ethik in der Medizin (AEM, Fachgesellschaft für Medizinethik) hat eine Seite eingerichtet, die kontinuierlich aktualisiert wird und auf der alle zentralen Dokumente und Empfehlungen zugänglich gemacht werden: https://aem-online.de/index.php?id=90&tx_ttnews%5Btt_news%5D=211&cHash=62b7b94cd347c31b5eb8d4f4fdde4d2b

Einige Texte befassen sich insbesondere mit Fragen der Triage, sowohl von medizinscher Seite als auch von ethischer Seite. Es besteht ein enger Dialog zwischen Expert*innen aus Österreich, der Schweiz und Deutschland unter dem Dach der AEM, in den auch die Mitglieder von Ethikkomitees eingebunden sind. Es werden kontinuierliche weitere Empfehlungen veröffentlicht.
Die Empfehlung für Deutschland wurden von der Deutschen interdisziplinären Vereinigung für Intensivmedizin DIVI, Deutsche Gesellschaft für Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin DGINA, AEM und anderen Fachgesellschaften erarbeitet und sind in der aktuellen Fassung hier abrufbar:  https://www.aem-online.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/040-013l_S1_Zuteilung-intensivmedizinscher-Ressourcen-im-Kontext-der-COVID-19-Pandemie-Klinisch-ethische_Empfehlungen_2021-12_1.pdf

 

Wir haben zentrale Inhalte der Empfehlungen hier für Sie in einer Übersicht zusammengefasst: Übersicht Empfehlungen



Ethische Grundlagen der Triage

Die Grundlagen von Triage Entscheidungen sind von ethischer Seite klar und werden z.B. im Dokument des BGA aus der Schweiz (https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/das-bag/publikationen/broschueren/publikationen-uebertragbare-krankheiten/pandemieplan-2018.html) in Teil III Kap 6 erläutert. Optimiert wird das medizinische outcome, d.h. die bestmögliche Nutzung der vorhandenen Ressourcen für ein Überleben von möglichst vielen. Das geschieht selbstverständlich unabhängig von der Person. Basierend auf der medizinischen Evidenz werden Kriterien entwickelt, in die die bestehenden Erfahrungen mit schweren Krankheitsverläufen eingehen, unter anderem Aspekte wie welcher Schweregrad der Erkrankung, welche Vorerkrankungen etc. welche Wahrscheinlichkeit für ein positives outcome haben. Das erfordert vor allem intensivmedizinisches Wissen und fachliche Einschätzung. Aufgabe einer ethischen Begleitung kann hier sein, die Kriterien und Notwendigkeit einer Triage transparent zu kommunizieren. Auch die Kommunikation mit Angehörigen kann eine wichtige Aufgabe sein. Ebenso kann eine begleitende Überprüfung sinnvoll sein, dass die Kriterien unabhängig von der Person (also etwa auch unabhängig vom reinen Lebensalter) sind.
In der Triage Situation werden also in jedem Fall Entscheidungen über die Vergabe von Ressourcen getroffen (auch durch Unterlassen des Benennens von Entscheidungskriterien), sie können aber besser oder schlechter, gerechter und weniger gerecht getroffen werden. Es wird alles Menschenmögliche getan - aber wir wissen, es wird nicht reichen.



Mögliche Aufgaben Klinischer Ethikberatung

In der aktuellen Situation ist es wichtig, dass Kompetenzen genutzt und sinnvoll eingebracht werden und diejenigen, die in der Patientenversorgung unglaubliches leisten, bestmöglich unterstützt werden.
In zwei Bereichen kann die Unterstützung von Seiten derer, die in den Kliniken für ethischen Fragen und ethische Kultur verantwortlich sind, hilfreich sein. In vielen Krankenhäusern sind das die Seelsorgenden:

A) Triage muss so institutionell umgesetzt werden, dass die Entscheidungen gut verankert und an Hand von transparenten Verfahren getroffen werden. Klinischen Ethikkomitees können sich hier einbringen, dass die Triage- Entscheidungen strukturell gut verankert werden in den Häusern (4-Augen Prinzip, keine Entscheidung über eigene Patienten, transparente Kriterien etc.). Das ist für die KEKs eine neue Aufgabe, d.h. es gibt in der Regel noch keine Routinen. Zudem können Kommunikationsaufgaben wahrgenommen werden, um deutlich zu machen, warum Entscheidungen wie getroffen werden (müssen).

B) Darüber hinaus ist zentral, dass die Personen, die diese Entscheidungen fällen müssen, entlastet werden. In der Konferenz der Ethikbeauftragten sprachen die Theolog*innen hier von Schuld, die säkularen Mitdiskutanten konnten mit dem Begriff nicht warm werden, im Grundsatz war man sich aber einig, dass deutlich werden muss, dass auch bei sehr guter struktureller Einbettung die Entscheidungen hart werden, Menschen werden dennoch sterben. Diejenigen, die hier Verantwortung tragen, brauchen Begleitung und Entlastung. Hier wird vor allem auf psychosoziale Dienste verwiesen, hier können Ethikkomitees vermitteln und mit entsprechenden Diensten vernetzen.

Die Akademie für Ethik in der Medizin hat ein Arbeitspapier und Diskussionsforum für den Austausch zur Rolle der Ethikkomitees veröffentlicht: https://www.aem-online.de/index.php?id=90&tx_ttnews%5Btt_news%5D=214&cHash=e9f9274452b89861cac91dcb1c96c808

Wir ergänzen und aktualisieren die Informationen hier regelmäßig.

Bei Fragen können Sie sich gern direkt an uns wenden: zfg@evlka.de oder direkt an julia.inthorn@evlka.de

Die Hinweise hier verstehen sich als Diskussionsgrundlage und Informationsplattform und stellen keine offizielle Position von kirchlicher Seite dar.